26. September 2016
Interview mit SnappedAway
Kannst du dich und deinen Fotografie-Stil unseren Lesern kurz vorstellen?
Ich bin Fotograf und Filmemacher aus Wien. In meinen Arbeiten durchleuchte ich das Paradoxon Mensch, mit seinen mitunter tragikomischen Facetten.
Wie hast du begonnen, dich für Fotografie zu interessieren? Und warum hast du die Fotografie als Medium und eine Form des Ausdrucks gewählt?
Es waren die Fotos des Malers René Magritte
und des Schriftstellers Paul Nougé, die mir im Alter von 16,
17 Jahren Möglichkeiten
der Fotografie aufgezeigt haben. Inspiriert durch deren Werke waren
meine ersten Fotografien ja auch noch inszeniert. Aber bald schon
suchte ich meine Motive auf der Straße, inszenieren wollte ich
fortan nur mehr Filme. Für die Geschichte der Fotografie habe
ich mich erst Jahre später begonnen zu interessieren.
Eines der ersten inszenierten Fotos: Nachbar mit Wäscheklammern (1978)
Aus dem Buch grayscales. early b&w photographs
Wie hast du das Fotografieren erlernt? Und was waren die hilfreichsten Informationsquellen auf diesem Weg?
Das Handwerk der Fotografie zu erlernen, stellt an sich noch keine besonders grosse Herausforderung dar. Legt man wie ich Wert auf Bildkomposition, sind vielerlei Quellen aus der Malerei, Fotografie aber auch aus dem Bereich des Grafikdesigns hilfreich. Die eigentliche Herausforderung in der Fotografie ist es meines Erachtens aber, Sehen zu lernen, sich einen ganz persönlichen Blick auf die Welt zu erschliessen. Als ich dreizehn war, hat Edgar Allen Poe meinen Sinn für das Makabre geschärft, später hat mich Daniil Charms mit seinen seltsamen Geschichten begeistert. Ich liebe die Filme von Luis Buñuel, Roman Polański oder den Coen-Brüdern, die Songtexte von Tom Waits, die Karikaturen von Manfred Deix, die Animationen von Jan Švankmajer … Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Was auffällt, ist, dass sich darauf kaum Fotografen befinden.
Dieses Foto war Teil der Ausstellung Provocation, veranstaltet 2011 vom New York Photo Festival
Aus der Serie Less Is More (2009)
Und dein fotografischer Stil – Kannst du den Weg dorthin
beschreiben, wo du jetzt stehst?
Stil ist nichts, woran ich bewusst arbeite. Es ist etwas, dass sich über die Jahre mehr oder weniger von selbst herauskristallisiert, so wie die Handschrift, irgendwann schreibt man einfach so wie man schreibt. Ich versuche meine Bilder so zu gestalten, dass bildwichtige Elemente schnell und klar wahrnehmbar sind, fast wie in einer einfachen Bleistiftskizze, und unwichtige Elemente außerhalb des Bildes bleiben. Ein Anspruch, der manchmal schwer zu bewerkstelligen ist und auch schon zu misslungenen Bildern geführt hat, weil sich zum Beispiel eine Person partout nicht aus dem Bild bewegen wollte.
Aus der Serie
Less Is More (2009)
Wie arbeitest du? Suchst du ein bestimmtes Projekt oder das einzelne Bild? Hast du zuerst eine bestimmte Idee oder kommt die Idee während des Fotografierens? Wie kommst du zu deinen Projektideen? Erzähle uns bitte über deinen Arbeitsablauf?
Ein wesentliches Merkmal des Mediums Fotografie liegt meiner Meinung nach im einzelnen Bild, welches seine Kraft aus dem Dargestellten schöpft und keinerlei Interpretationsanleitung oder Erklärung benötigt. So manch gelangweilter Kurator-Hipster oder Galerist sieht die Zukunft der Fotografie gar als Schmelztiegel von Bild, Schrift, Zeichnung und allerlei Firlefanz wie applizierten Federn oder Zweigen. Was für ein Irrtum!
Die Idee zu meinen Bildern entsteht immer vorort, weil meine Fotografien nicht inszeniert sind oder dafür posiert wird. Ich sehe meine Arbeiten als Sammlung von Einzelbildern, die einfach unter einem bestimmten Titel, meist in Buchform veröffentlicht werden.
In den letzten Jahren werden verstärkt Workshops angeboten, in denen verunsicherte Fotografen mitunter hohe Beträge dafür bezahlen, dass ihnen Experten bei der Auswahl der Bilder für ein bestimmtes Projekt behilflich sind oder die Präsentationsreihenfolge der Bilder mitbestimmen. Das Problem dabei ist, das bei zehn Expertenkonsultationen zehn unterschiedliche Projekte herauskommen, nur nicht das eigene. Warum dann nicht gleich den Director’s Cut?
Einzelbild aus dem Jahr 2014, das noch keinen Anschluß an ein Projekt gefunden hat
Was ist dein liebstes bzw. denkwürdigstes Projekt oder Foto, an dem du gearbeitet hast, und warum?
„Schön wie das zufällige Zusammentreffen einer Nähmaschine und eines Regenschirms auf einem Seziertisch“ lautet der berühmte Satz des Dichters Lautréamont, der oft im Zusammenhang mit surrealistischer Poesie zitiert wird. Ihm hätte wohl auch folgende Szene gefallen, die ich vor ein paar Jahren auf einer Modeschau für Bestatter erlebten durfte: Vier Männer in schwarzer Uniform tragen, flankiert von zwei Blondinen, einen Sarg über den Laufsteg, dazu tönt aus den Lautsprechern Mambo No. 5 von Lou Bega. Fantastisch!
Modeschau für Bestatter – Das Foto ist Titelbild von Undertakers on the Catwalk,
einem Kapitel aus dem Projekt Fair(y) Tales (2016)
Was ist für dich persönlich als Fotograf eine Herausforderung?
Eine Herausforderung ist es sicher, über die Jahre einen frischen Blick auf die Welt und ein gesundes Maß an Kritikfähigkeit den eigenen Arbeiten gegenüber zu bewahren. Ich hoffe, dass mir das gelingt.
Hast du ein bevorzugtes Objektiv, eine bevorzugte Kamera?
Nichts besonderes: ein scharfes Objektiv, eine robuste Kamera, neuerdings mit zwei Speicherkarten-Slots für noch mehr Sicherheit. |